Am 14. September 2023 feierte das SCC mit einem internen Festkolloquium die in Karlsruhe schon 40 Jahre umspannende Ära des Hochleistungsrechnens. Die geladenen Gäste aus Forschungspolitik und -management, Rechenzentrumsplanung, -bau und -betrieb sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ehemalige wie auch aktive, konnten sich bei Vorträgen, Paneldiskussion sowie Ausstellung und Führungen aus erster Hand über die gesamte Bandbreite von 40 Jahren Hochleistungsrechnen in Karlsruhe informieren. Es gab viel Raum Erfolge und Herausforderungen revuepassieren zu lassen, ein wenig über die Zukunft zu philosophieren, und natürlich, um gemeinsam zu feiern und interessante Geschichten auszutauschen.
Der für HPC zuständige Referatsleiter im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK), Peter Castellaz, hob in seinen Grußworten die Landesstrategie bwHPC heraus, mit der das SCC nicht nur wichtige inhaltliche Aspekte umgesetzt, sondern sich in einer intensiv gelebten Kooperationskultur federführend engagiert hat. „Neben den HPC-spezifischen Ressourcen und dem zugehörigen Methodenwissen hat sich das KIT besonders mit seiner Expertise im Bereich Daten und Forschungssoftware erfolgreich eingebracht“ so Peter Castellaz. Lobende Worte findet er zum landesweiten föderierten Identitätsmanagement bwIDM, mit dem das SCC gemeinsam mit anderen Landeseinrichtungen entscheidende Grundvoraussetzungen für kooperativ erbrachte Dienste – auch über das HPC hinaus – erarbeitet hat. Um neben technologischen Entwicklungen auch die Themen Forschungssoftware und Nachhaltigkeit zu akzentuieren, wird eine umfassende Landesstrategie bis zum Jahr 2032 erarbeitet, lässt Peter Castellaz wissen.
Die KIT-Vizepräsidentin für Digitalisierung und Nachhaltigkeit, Kora Kristof, zeigt sich in ihren Grußworten beeindruckt von der Community, die sich über lange Zeit im HPC-Umfeld entwickelte, vom Gauß Centre for Supercomputing (GCS) angefangen, über die unterschiedlichen Zentren der Ebenen Tier-2 (Gauß-Allianz) und Tier-3, national und in Baden-Württemberg. „Was im Bereich des HPC vom KIT und anderen Einrichtungen auf Landesebene entwickelt wurde, hat auch die Entwicklungen national mitgeprägt und dafür gilt ein besonderer Dank“, stellt Kora Kristof fest. Zudem habe das KIT das Hochleistungsrechnen mit dem Thema Energieeffizienz verbunden und damit herausragende Erfolge erzielt. Hier sprechen der Deutsche Rechenzentrumspreis 2017 für ForHLR II und Platz 13 auf der internationalen Bestenliste der energieeffizientesten Rechner für HoreKa für sich. „Und zukünftig werden uns auch im HPC-Umfeld noch viele interessante Themen, die Nachhaltigkeit prägen, beschäftigen – dies betrifft nachhaltige Gebäude und Infrastrukturen, den Einsatz nachhaltiger Materialien und Ressourcenschonung sowie Aspekte der nachhaltigen Software“ prognostiziert Kora Kristof.
In der Überleitung zu den Fachvorträgen charakterisiert Martin Frank, Direktor des SCC, das HPC-Geschäft als eine Mischung aus etwas sehr Dynamischem und etwas Konservativem. „Das Dynamische ist an der Entwicklung von HPC-Systemen in den letzten 40 Jahren sehr deutlich zu erkennen, das Konservative steckt beispielsweise in der Bearbeitung sehr komplexer Prozesse wie Beschaffung und dem sicheren Betrieb der Infrastruktur“, konkretisiert Martin Frank in seinem Grußwort und weiß, dass Erfahrung und Innovation die wichtigen Pole im HPC-Geschäft sind, die das SCC im Nationalen Hochleistungsrechnen zu einer wichtigen Größe machen. „All das sorgt dafür, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Ihrer Forschung mit Hochleistungsrechnern und Forschungssoftware bestmöglich unterstützt werden.“
Eric Schnepf führte im ersten Fachvortrag in die Anfänge der Hochleistungsrechner in Karlsruhe ein und spannte einen Bogen über die Entwicklungen bis hin zur Gegenwart. Er machte seine ersten IT-Erfahrungen in den 70er-Jahren an der Universität Karlsruhe mit Algol-Programmen, die er mittels eines Siemens T100 Fernschreibers auf Lochstreifen erstellte und auf der Zuse Z 23 zum Ablauf brachte. In den 80ern konnte er sich neben den Universalrechnern auch mit Vektorrechnern vertraut machen, auf denen man Anwendungen genauer und schneller berechnen konnte. Den Beginn der HPC-Ära in Karlsruhe datiert Eric Schnepf auf Mai 1983, wo ein Landesvektorrechner, eine Cyber 205, nach vorherigen Tests an einer gleichartigen Maschine der Uni Bochum im Universitätsrechenzentrum in Karlsruhe installiert und betrieben wurde. Die Betreuung der Anwender erfolgte durch ein Team aus Uni Karlsruhe und dem damaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe (KfK). „Die Beschaffung kam nur zustande, weil eine große Community sehr gut zusammenarbeitete: Uni, KfK und Industriepartner“ bekräftigt Eric Schnepf in seinem Vortrag. Neben vielen interessanten technischen Ausflügen in die Welt der damals in der Uni installierten Rechnersysteme, führte Eric Schnepf auch Anwendungsbeispiele an – beispielsweise aus der Klimaforschung – und ging auf die zwischen Siemens-Nixdorf und der Uni geschaffenen Kooperation ODIN ein, was für Optimale Datenmodelle und Algorithmen für Ingenieur- und Naturwissenschaften auf Hochleistungsrechnern steht. Ein Meilenstein war die erste TOP500-Liste der Supercomputer, die im Jahr 1993 erschien. Das Original-Handout zeigt die Deutschlandliste mit den beiden erstplatzierten Systemen vom Typ S600/20 aus Karlsruhe und Aachen. Seinen Vortrag rundete Eric Schnepf mit einer Übersichtsfolie der wichtigsten HPC-Systeme der letzten 40 Jahre in Karlsruhe ab und ordnet diese in die Grenzlinien der TOP500 (Platz 1 .. Platz 500) ein. „Von der Cyber 205 (1983) bis HoreKa (2023) sind das acht Zehnerpotenzen Leistungssteigerung, also im Schnitt alle 10 Jahre Faktor 100 Beschleunigung. Ich denke, das kann sich sehen lassen“, wertschätzt Eric Schnepf die Entwicklung im HPC in Karlsruhe.
Klaus-Peter Mickel, Physiker und ehemaliger Direktor des SCC, war schon Ende der 60er-Jahre als Programmierer für die IBM-Maschinen am Rechenzentrum des Forschungszentrums Karlsruhe (FZK) tätig und erlebte und gestaltete ebenfalls die Entwicklungen der Hochleistungsrechenanlagen in Karlsruhe von Anfang an mit. Als er 1970 eine Stelle am Rechenzentrum Karlsruhe annahm, übernahm er die Betreuung der Uni-Mitarbeitenden, die die Maschinen des FZK benutzen wollten. Nach verschiedenen beruflichen Stationen hat Klaus-Peter Mickel 1996 dann die Leitung des Rechenzentrums am FZK angetreten. In seinem Rückblick auf die Jahre zwischen 1966 und 1996 schildert Klaus-Peter Mickel die intensive Kooperation der Computerfachleute in Uni und FZK, die schließlich, ab 1996, zur Planung einer ausgeklügelten technischen und organisatorischen Kooperation beider wissenschaftlicher Rechenzentren führte – das Virtuelle Rechenzentrum Karlsruhe wurde gegründet. Virtuell, ja, denn es kam nämlich nicht, wie ursprünglich überlegt, zu einem gemeinsamen Rechenzentrum beider Institutionen an einem Standort, sondern zu einem Verbund mit einer juristisch abgesicherten Kooperationsvereinbarung. Es gab ein gemeinsames Leitungsgremium und unterschiedliche Architekturschwerpunkte auf beiden Seiten, jeweils mit gegenseitig eingebrachten Ressourcen. Die Uni legte ihren Schwerpunkt auf die massiv parallelen Rechner und das FZK auf die damals sehr leistungsfähigen Vektorrechner. Eine eigens dafür gelegte Datenleitung verband über 10 km Luftlinie beide Rechenzentren und erreichte damals die respektable Geschwindigkeit von 155 Megabit pro Sekunde. Durch die Einrichtung des Virtuellen Rechenzentrums wurden viele positive Effekte erzielt. Neben einer hohen Effizienz, weil nicht beide Seiten beide Architekturen zu betreuen hatten entstand ein großer Nutzen für die Anwendergruppen, weil sie beide Architekturen zur Verfügung hatten.
Rudolf Lohner gab in seinem Vortrag einen intensiven Einblick in die Entstehung des Rechenzentrums der Uni und der damit verbundenen Entwicklung sowie den Betrieb der massiv parallelen Rechner in Karlsruhe, der sogenannten Rechencluster. Rudolf Lohner war 20 Jahre Mitarbeiter bei den Mathematikprofessoren Alefeld und Kulisch, die er als Wegbereiter der ersten Stunden und Gründer des Hochschulrechenzentrums würdigte. Er ist dann in den 2000er Jahren vom Mathematikinstitut ans Rechenzentrum der Uni Karlsruhe gewechselt und war bis zum Ende seiner aktiven Tätigkeit Experte für Energieeffizienz in Hochleistungsrechenzentren am SCC. Mitte der 90er haben sich zunehmend die massiv parallelen Rechencluster etabliert und auch am Rechenzentrum der Uni wurden solche Systeme über die letzten Jahre, bis heute, für die Forschung betrieben. Rudolf Lohner stellte in einem kurzweiligen Streifzug nicht nur die verschiedenen Clustersysteme vor, sondern auch einige wichtige Projekte und Anwendungsszenarien. Das Spektrum geht von der mathematischen Simulation von Segelbooteigenschaften für den America’s Cup, über die Erstellung von präzisen Wettervorhersagen bis hin zur Entwicklung institutseigener Clustermanagementsysteme. Für den heute am SCC betriebenen Hochleistungsrechner Karlsruhe (HoreKa) und dessen Vorgängersysteme ForHLR I und ForHLR II entwarf Rudolf Lohner gemeinsam mit dem HPC-Team das äußerst effiziente Energie- und Betriebskonzept. Der dazugehörige Neubau wurde 2015 fertiggestellt und beherbergt am Campus Nord des KIT deutschlandweit nutzbare HPC-Systeme. Vor ein paar Monaten wurden die notwendigen baulichen und technischen Vorbereitungen abgeschlossen, um das Gebäude auch für zukünftige, noch viel leistungsfähigere Rechensysteme mit bis zu 2 Megawatt Leistungsaufnahme fitzumachen.
Im Anschluss an die spannenden Fachvorträge, die die gesamten 40 Jahre HPC in Karlsruhe aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchteten, konnten die Gäste an Führungen durch die HPC-Infrastruktur teilnehmen sowie in einem eigens dafür eingerichteten Ausstellungsraum Rechenzentrumsexponate der letzten 40 Jahre bewundern.
Das SCC bedankt sich beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, dem Präsidium des KIT, bei allen Beteiligten, die 40 Jahre HPC in Karlsruhe gestaltet haben und konsequent weiterentwickeln sowie dem Organisationsteam dieses Festkolloquiums um Simon Raffeiner (s. Foto) und natürlich bei allen seinen Gästen.
Achim Grindler
Fotos: Markus Breig (KIT)